Sandwich

MMXX

Wigger Bierma (Hg.)

Impressum

Betreuer: Wigger Bierma / Ralf Bacher
2/2020
Auflage: 46 Stk.
Material 408
Materialverlag der HFBK Hamburg

Drucktechnik

Zine
36 Seiten,
Risograph (3C), Klebebindung

Beschreibung

Sandwich erscheint im Rahmen des fortlaufenden Zine-Projekts der Klasse Typografie der HFBK Hamburg, wobei eine wechselnde Gruppe von Studierenden sich mit dem Riso-Druck-Verfahren auseinandersetzt.

»Der innigste Wunsch des vierten Earl of Sandwich war es seinen Lebtag nur Cribbage zu spielen, sein liebstes Kartenspiel. Es ist so überliefert, dass er 1762 während einer besonders intensiven Partie sehr, sehr hungrig wurde und nach Nahrung verlangte. Irgendetwas, für das er das Spiel nicht unterbrechen muss. Sein Koch bringt ihm Weißbrotscheiben mit Rindfleisch dazwischen. Aus der Spielsucht des britischen Adeligen geboren, war das Sandwich.
Es fasst sogleich an die eine Hand die Vernunft und nimmt an die andere den sehr jungen freien Willen. Gemeinsam erobern sie den Kontinent im Sturm. In jede noch so schmutzige Spelunke bringen sie ihr Licht. Niemand soll mehr Zeit als nötig damit verbringen dem Körper zu gehorchen ! Doch als siebenundzwanzig Jahre später die Bastille fällt, auch die Köpfe französischer Adelshäuser, lehnen es ihre amerikanischen Geschwister noch immer ab dieses Gericht zu etablieren. Heimlich wollen sie natürlich auch. Aber das Brot so zu essen wie die Herren von Britannia, das wäre nicht sehr unabhängig. Verbat es erst der patriotische Stolz, haben sie es doch bald wieder vergessen.
Später 1957, lässt die aufgehende Wintersonne Waden von japanischen Kindern rot aufleuchten. Sie haben sich aufgestellt um ihr belegtes Schulbrot abzuholen. Auf eine Art ist das Brot doch nur Brot. In einer Mall in Hong Kong lässt sich eine indische Kernfamilie ›Scottish Smoked Salmon Sandwich‹ bringen. Es ist Nachmittag, Zeit für einen Snack. Auf der Karte steht, der Frischkäse darauf sei verfeinert mit ›Sweet Innocence Tea‹. Sie rücken Rattanstühle näher an strahlend weiße Tischdecken, der ›Napoleon Tea‹ kommt auch gleich.
Im Jahre des Bankencrash von 2008 gründen drei Männer und eine Frau in Singapore The Wellbeing Group. Sie verkaufen sich als Luxusmarke für Tee. Die Firma zelebriert das Jahr 1873 wo der Stadtstaat unter britischer Herrschaft zu einem der wichtigsten Freihandelshäfen wurde. Sie haben ihre nostalgischen, irgendwie-britisch-irgendwiefranzösischen Salons in Flughäfen und Malls von neunzehn Ländern. Davon sind drei im globalen Westen. Die Zielgruppe wohlhabende Leute, die es sich gut gehen lassen wollen. 2014, verzehren sie in den Vereinigten Staaten täglich etwa so viele Sandwiches wie es Einwohner gibt.

Weckt ein Sandwich bei ihnen auch Erinnerungen an unsere gemeinsame Vergangenheit mit der Kolonialmacht Großbritannien ? Oder eher an eine US-amerikanische Besatzung ? Es ist ganz gleich. Dank beidem sind sie überall. So beliebig wir die Dinge auch aneinanderreihen, sie werden sich immer verflechten.«
Kastania Waldmüller